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Kraut & Rüben im Kopf – die menschliche Psyche

Januar 10, 2023

So lange ich denken kann, zerbreche ich mir den Kopf. Über wirklich alles Mögliche. Ich habe einen Rucksack auf dem Rücken und der ist randvoll mit Fragen. Ich bin ständig auf der Suche nach Antworten. Der Witz an der Sache ist, sobald ich Antworten gefunden habe, ändert das Leben einfach die Frage.

Also was soll das Ganze hier? Warum leben wir? Wer bin ich wirklich? Und was ist eigentlich wirklich? Wie groß ist das Universum? Und wenn ja, wie viele? Was ist Wahrnehmung? Welche ist meine individuelle Aufgabe? Können Pflanzen wirklich nichts fühlen? Ich habe erst neulich etwas anderes gelesen. Kommunizieren tun sie auf jeden Fall. Entzieht sich nur unserer Wahrnehmung! Also ist Wirklichkeit, dass was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen können? Na hoffentlich nicht, denn das wäre doch verdammt eingeschränkt und vor allem subjektiv ohne Ende.

Also wie funktioniert unsere Psyche eigentlich und ist Psyche gleich Geist? Schon wieder eine dieser Fragen in meinem hyperaktiven Kopf. Yoga ist hier keine magische Pille, die alle Fragen beantwortet und für ewige Ruhe im Oberstübchen sorgt. Wäre ja auch zu einfach… Aber in den Lehren des Yoga sind Antworten zu finden. Das Antahkarana Modell beschreibt die menschliche Psyche. Mir bringt es mehr Klarheit, hilft dabei die Fragen zu bündeln und vor allem auch dabei besser mit mir selbst klar zu kommen.

Über Wahrnehmung und Filter...

Im integralen Yoga gibt es verschiedene Yogawege, von denen einer ganz besonders Antworten zum Thema menschliche Psyche liefert. Da heute mal wieder einer dieser Tage der vielen Fragen ist, hier gleich die nächste… Was bedeutet integral jetzt genau?

Integral bedeutet für mich weitaus mehr, als „nur“ ganzheitlich, was die ganz einfache Übersetzung für integral wäre. Hier geht es darum alle Perspektiven unseres Seins einzubeziehen und keine zu bevorzugen. Aber zurück zum eigentlichen Thema…

Der moderne Mensch von heute, nimmt nicht einfach nur wahr. LEIDER! In einem Bruchteil von Sekunden, bewertet und urteilt er. Setzt also einen Filter über die Sinneswahrnehmung. Es ist also nicht nur eine rote Blume, sondern eine Blume die rot ist, die ich besonders schön finde, wo ich den Geruch mag oder gerade nicht mag.

Oder es ist eine rote Blume, über die ich mich ärgere, weil ich genauso eine von meinem Ex geschenkt bekommen habe, den ich inzwischen vielleicht gar nicht mehr leiden kann. Und so bekommt eine rote Blume innerhalb von Sekundenbruchteilen eine ganz eigene Bedeutung, eine Bewertung und einen Bezug zu mir.

Warum ist das so?

Im spirituellen Kontext wurden den Menschen der Körper, der Geist und die Sinne als Instrument gegeben, um die Welt wahrzunehmen – um Genuss zu erleben und Erfahrungen zu sammeln. Das Problem dabei, ist die Nummer mit dem Filter.

Antworten gibt unter anderem der Raja Yogaweg, er ist die Wissenschaft des Geistes. Hier wird das Modell des menschlichen Geistes, der Psyche beschrieben. Richtig, in diesem Kontext ist Geist also gleich Psyche. Der Fachbegriff für dieses Modell lautet Antahkarana Modell. Es beschreibt die menschliche Psyche in vier Teilen und gibt eine gute Antwort auf die Filterfrage.

Antahkarana – das Modell der menschlichen Psyche

Das einfache Denkprinzip (Manas) wandelt die über die Sinne wahrgenommenen Informationen in Bilder, Klänge, Gerüche usw. um und gibt ihnen Namen. Normalerweise hat dieses einfache Denken drei Bestandteile: Bild, Wort und Gefühl.

Das einfache Denkprinzip vergleicht dabei die Sinneswahrnehmung mit dem im Unterbewusstsein (Chitta) Gespeicherten und gibt es weiter an das Urteilungs-/Unterscheidungsvermögen (Buddhi).

Und da haben wir schon den ersten Übeltäter!!! Das Unterbewusstsein. Wir nehmen die Welt nämlich nicht einfach wahr, sondern gleichen unsere Wahrnehmung permanent mit allem Möglichen im Unterbewusstsein ab. Das können Wünsche, Erfahrungen, Traumata, Fähigkeiten und ähnliches sein. Das ist also der erste Filter, der sich in unsere Wahrnehmung schleicht.

Ein Beispiel für ein Trauma wäre: Wir sehen einen Hund, der ganz friedlich an seiner Leine vor dem Einkaufsladen sitzt. Angst macht sich breit, Schnappatmung setzt ein und der Brustkorb zieht sich zusammen. Da vergleicht also das einfache Denken die aktuelle Situation mit einem Kindheitstrauma mit einem Hund aus dem Unterbewusstsein, was unsere Wahrnehmung so verzerrt, dass wir in einer ungefährlichen Situation so heftig reagieren.

Auch Wünsche, haben Einfluss auf unsere Wahrnehmung. Eines der Grundbedürfnisse des Menschen, ist Zugehörigkeit. Ein großer Wunsch, der in jedem von uns schlummert. Es gibt immer wieder diese Freundschaften, in denen nicht gut mit uns umgegangen wird. Meistens merken wir das nicht sofort, denn der Wunsch nach Zugehörigkeit und Harmonie sorgt im Unterbewusstsein dafür dass wir Situationen, in denen wir verletzt werden, abwerten und als nicht soo schlimm einstufen – allein aus dem Wunsch heraus dazu zu gehören.

Aber auch Erfahrungen aus vergangenen Beziehungen, Verletzungen die wir erfahren haben, beeinflussen unsere Wahrnehmung. So viele Menschen haben Bindungsschwierigkeiten heutzutage. Das heißt, wir lernen Menschen kennen und unsere Wahrnehmung ist stark beeinflusst von unseren Erfahrungen. Zum Beispiel suchen wir förmlich das Haar in der Suppe und nehmen andere Personen eben nicht ohne Filter wahr. Gar nicht, weil es etwas mit der Person gegenüber zu tun hat, sondern schlicht aus der Angst heraus, verletzt zu werden, angreifbar zu sein und womöglich die Kontrolle zu verlieren. Am Ende geben wir unserem Gegenüber oftmals gar nicht erst die Chance für ein intensiveres Kennenlernen, einfach weil unser Unterbewusstsein und das Urteilungsvermögen einen Filter über diese Person legt. Damit verpassen wir leider auch die ein oder andere Gelegenheit. Und das immer wieder.

Ok, zurück zum Thema. Es ist also der Buddhi – unser Urteils-, Untscheidungs- und Entscheidungsvermögen, was dem Ganzen eine Beurteilung gibt.

Und der nächste Übeltäter ist das Ego, auch Ahamkara. Das Ego ist der vierte Teil der menschlichen Psyche im Rahmen des Anthakarana Modells. Das ist der Bereich, der die Identifizierung mit dem Wahrgenommenen herstellt und auch mit dem Instrument der Wahrnehmung, also dem Körper oder den Sinnen. Na gut, jetzt wird es verrückt für den einen oder anderen. Das ist jetzt vielleicht nicht gleich so ganz einfach zu greifen…

Unter Identifizierung wird der Bezug auf uns selbst verstanden. Hier geht es eigentlich um alles Mögliche im Außen, das wir ständig und immer wieder auf uns beziehen. Wir messen uns selbst an so gut wie allem, was wir wahrnehmen. Jetzt schüttelst du vielleicht deinen Kopf und denkst dir, nein nein… Ist bei mir nicht so!

Ok, dann springen wir mal zurück zu einer der Eingangsfragen: „Wer bin ich wirklich?“. Hast du dich das mal gefragt? Ja? Schon mal gut. Und nun frag dich das nochmal ohne die folgenden Punkte einzubeziehen:

 

Name

Aussehen

Job Titel

Beziehungsstatus

Kultur

Dinge, die du geschafft oder gemacht hast

Freunde

Besitz

Wer bist du wirklich?

Das sind nämlich alles Punkte, die wir gern einfließen lassen, die aber aus reiner Identifikation kommen und letztlich nicht das sind, was uns ausmacht. Und auch nichts mit unserem wahren Selbst zu tun haben. Also legt auch unser Ego einen Filter über alles, was wir wahrnehmen.

Und die Moral von der Geschicht?

Ja und was in Gottes Namen sollen wir jetzt daraus lernen? Ich sag es dir. Oder zumindest versuche ich es…

Ich finde, je mehr wir über uns selbst wissen, desto besser können wir uns selbst verstehen. Verstehen, warum wir handeln, wie wir handeln. Verstehen, warum wir uns fühlen, wie wir uns fühlen. Und das hat wiederum sehr viel damit zu tun, wie wir die Welt wahrnehmen.

Mit der Erkenntnis, dass es in uns ein Unterbewusst sein gibt, das unsere Erfahrungen, Wünsche, Fähigkeiten und Traumata in sich trägt, die stetig Einfluss auf unsere Wahrnehmung haben, ändert sich schon einmal eine ganze Menge. Es entsteht ein Bewusstsein dafür und vielleicht hilft es dir dabei, einmal die Perspektive zu wechseln in bestimmten Situationen bevor du  handelst. In Situationen, in denen du normalerweise in alten und ungünstigen Mustern reagieren würdest. Vielleicht gibt es auch Themen in deinem Unterbewusstsein, mit denen du dich intensiver auseinander setzen solltest. Auch hier ist eine erste Erkenntnis darüber Gold wert und eben der erste Schritt in ein achtsameres Dasein.

Im Yoga wird immer viel davon gesprochen, sich mit sich selbst zu verbinden. Das ist ein ganz wichtiger Punkt in diesem Kontext. Wenn wir uns mit uns selbst verbinden, uns darüber klar werden, wie es in unserem Inneren, also im Unterbewusstsein aussieht, können wir aktiv Einfluss nehmen auf unser Handeln im Alltag, auf unser Verhalten in Beziehungen jeglicher Art und auf unsere Reaktionen in bestimmten Situationen. Wir sind so viel weniger Dingen ausgeliefert, als wir immer denken. Und das ist ein Geschenk.

Es gibt hier keinen 10-Punkte Plan, den du abarbeiten kannst, um die Filter deiner Wahrnehmung abzulegen.  Ein paar Tipps in diese Richtung gibt es sicher in einem späteren Artikel. Mir geht es heute darum vielleicht einen kleinen Funken mehr Licht in die Abläufe deiner Psyche zu bringen und es ist ein erster Schritt, wenn du die eine oder andere neue Erkenntnis zu dem Kraut & Rüben deiner Psyche mitnimmst.

Also lass uns die Welt über unseren Körper, den Geist und die Sinne wahrnehmen, sie als ein Instrument der Seele nutzen und einmal weniger zur Marionette unserer Wahrnehmung werden.

Denn am Ende sind wir Sein – Wissen – Glückseligkeit (Sat-Chit-Ananada), um es mit den Worten der Lehren der Vedanta zu beschreiben.

YouVida Blog - Kraut & Rüben - die menschliche Psyche

Mein Fazit

Heute gibt es mal kein Fazit von mir. Ich hätte gern eins von dir! Die Frage an dich: Macht das Sinn, was ich hier schreibe?  Und kann man als Außenstehender hier richtig folgen? Genau deswegen trägt dieser Beitrag auch den Titel „Kraut & Rüben Im Kopf“. Ich bin sehr gespannt, was du sagst und freue mich auf dein Kommentar oder eine Mail von dir.

Namaste, deine Steffi

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