Das Wunder der Atmung – eine Betrachtung aus dem Yoga
März 31, 2022
Was denkst du, wie lang kann der Mensch ohne Essen überleben? Richtig – Wochen sind es. Wie lang geht es ohne Trinken? Deutlich kürzer – es sind Tage. Und wie lang kannst du ohne zu Atmen überleben? Es sind nur Minuten!
Wie schon in meinem letzten Beitrag erwähnt, nimmt sich gesund zu ernähren, für körperliches Wohlbefinden zu sorgen, ausreichend zu Trinken und genügend Erholungsphasen einzulegen bereits bei den meisten Menschen einen hohen Stellenwert im Leben ein. Der Lifestyle gesund zu leben – nicht nur ein vorübergehender Trend (hoffentlich!). Sondern ein generelles Umdenken unserer Lebensgewohnheiten. Außer Acht gelassen und viel zu wenig beachtet bleibt dabei unsere Atmung. Mein letzter Artikel: “Das Wunder der Atmung – eine physiologische Betrachtung” hat dir einen Überblick zu den Prozessen und anatomischen Gegebenheiten in deinem Körper gegeben. Doch das Wunder der Atmung geht weit über die rein physischen Grenzen hinaus. Darum findest du hier nun den zweiten Teil zum Thema Atmung und zwar aus dem Blickwinkel des Yoga.
Welchen Stellenwert die Atmung eigentlich einnehmen sollte. Warum du einen starken Fokus auf das Wunder der Atmung in deinem Alltag und in deiner Praxis legen solltest, erfährst du hier.
Die Atmung im Yoga
Im Yoga werden die verschiedenen Atemübungen als Pranayama bezeichnet. Es setzt sich aus den beiden Wörtern Prana („Lebensenergie“) und Ayama („Ausdehnung, Kontrolle“) zusammen und steht somit für die Kontrolle über die Lebensenergie. Der Umgang mit der Atmung stellt die vierte Stufe des achtfachen Pfad des Yoga dar. Er ist ein Wegweiser zum Erreichen der Selbstverwirklichung und wurde von Patañjali in den Yoga Sutren niedergeschrieben. Jeder der acht Teile dieses Pfades besteht aus verschiedenen konkreten, praktischen und auch heute noch sehr lebensnahen Vorgehens- und Verhaltensweisen. Sie sind voneinander abhängig und bedingen sich gegenseitig, bauen aufeinander auf, ergänzen sich und bilden eine Einheit. Ein essentieller Teil davon stellt unsere Atmung dar.
Über die Praxis von Pranayama lernen wir unsere Atmung bewusst zu steuern und zu optimieren. Im Alltag neigen wir dazu flach und unvollständig zu atmen. Die meisten Menschen nutzen lediglich 2/3 ihres Lungenvolumens. Das heißt, wir haushalten ineffektiv mit unserer Energie. Wir benötigen viel mehr Atemzüge, also auch viel mehr Aktivität der involvierten Muskulatur, einfach weil wir unvollständig ein und aus atmen. Irgendwie schade oder?! Das Gute ist, dass wir das ändern können, indem wir wieder bewusster mit unserer Atmung umgehen und Atemübungen, also Pranayama, in unsere Yoga Praxis und unseren Alltag mit einbauen.
Die Atmung im Alltag
Ich möchte an dieser Stelle gar nicht auf die einzelnen Atmen Techniken des Yoga eingehen. Viel mehr möchte ich dir ein paar Anstöße geben, wieder achtsamer und effektiver zu atmen. Dafür stell dir einmal vor, du möchtest eine Wanne mit Wasser füllen. Dafür musst du mit einem Eimer zum Brunnen laufen. Deinen Eimer leerst du allerdings nicht vollständig aus. Sagen wir mal, du lässt immer 1/3 des Wassers in deinem Eimer. Wie oft musst du gehen und Wasser holen, wenn du so vorgehst und wie viele deiner Wege kannst du einsparen, wenn du den Eimer jedes Mal so gut wie leer machst?
Genauso verhält es sich mit deiner Atmung. Achte ab sofort doch einmal darauf, dass du immer öfter vollständig ausatmest, indem du deine Bauchdecke mit der Ausatmung nach innen und unter deinen Rippenbogen ziehst. Deine Lungen werden vollständig geleert und du schaffst wieder genügend Raum für neue Luft, einen tiefen Atemzug und frische Energie, die du aufnehmen kannst.
Mit der nächsten Einatmung hebt sich nun deine Bauchdecke. Denn wir atmen über den Bauch in der sogenannten Bauchatmung. Das mag dem einen oder anderen paradox vorkommen. Ist aber die physiologisch korrekte Form der Atmung. Warum kommt uns das paradox vor? Weil wir darauf konditioniert sind einen flachen Bauch zu haben. Das heißt, dass wir im Alltag sehr häufig die Bauchmuskeln anspannen, was unser Zwerchfell nach oben drückt und dafür sorgt, dass wir nicht tief Atmen können. Achte darauf, deinen Bauch locker zu lassen und mit der Einatmung tief in den Bauchraum hinein zu atmen. Deine Bauchdecke hebt sich an und dann atme mindestens genauso lang – besser länger – wieder aus.
Wenn du nicht sehr vertraut bist mit Atemübungen, wirst du merken, dass es gar nicht so leicht ist, länger aus als ein zu atmen. Ging mir genauso, glaub mir… Aber mit ein bisschen Übung kannst du dieses Gewohnheitsmuster durchbrechen und dir selbst etwas mehr Energie in deinem Alltag schenken.
Atmung und Geist – ein unsichtbares Band
In dem ersten Artikel zum Wunder der Atmung, lag der Fokus mehr auf dem körperlichen Bereich. Doch Yoga wirkt ganzheitlich. Yoga bedeutet Einheit/Harmonie und bringt Gleichgewicht in Körper, Geist und Seele und hilft dabei, dieses zu erhalten. Die Atmung stellt dabei ein unsichtbares Band als Verbindung zwischen deinem Körper, deinen Emotionen, deinem Geist und deiner Seele dar. Hmm, schon ein bisschen schwer zu greifen.
Sicher kennst du diese äußerst zarten Shaolin Mönche, die mit bloßen Händen Steine zerschlagen. Leistungssportler, die vor ihren Wettkämpfen innehalten und sich auf ihren Atem konzentrieren. Stars oder Politiker, die sich vor großen Auftritten zurückziehen und noch einmal zur Ruhe finden. Oder die verrückten Skandinavier, die ohne zu hyperventilieren in eiskaltem Wasser baden.
Was haben all diese Menschen gemeinsam?! Sie alle nutzen ihre Atmung, um ihren Geist zu fokussieren, ihre Emotionen auszugleichen und körperlich ruhig zu werden. Deine Atmung ist ein machtvolles Instrument, mit dem du aktiv Einfluss auf dein gesamtes System nehmen kannst. Ein kostbares Geschenk, denn wir sind viel weniger Dingen schutzlos ausgeliefert, als wir im Alltag oft annehmen. Am Ende reagieren wir auf die Reiz von außen und unsere Reaktion ist etwas, dass wir beeinflussen können.
Schon oft gehört, wenn du sauer oder wütend bist, nimm zehn tiefe Atemzüge, bevor du handelst. Schnell dahin gesagt, enthält aber so viel Wahrheit. Durch Fokus und Konzentration auf unsere Atmung können wir unsere Emotionen regulieren, unseren Geist beeinflussen, Gedanken zur Ruhe bringen und unseren Körper ausgleichen. Bringe Bewusstheit in deine Atmung und dein ganzes Leben wird sich Stück für Stück ausgleichen – wenn du es zulässt!
Mein Fazit
Mir war es bei diesem und dem letzten Blog Beitrag zum Thema Atmung wichtig, dir ein bisschen Hintergrundwissen zu deiner Atmung zu geben. Ganz bewusst habe ich zunächst etwas weiter ausgeholt und den Fokus die rein physiologischen Bereiche der Atmung gelegt. Je mehr Wissen du über die Abläufe deines Körper und deines Wesens hast, desto besser ist dein Verständnis für dein eigenes System und desto bewusster kannst du Einfluss darauf nehmen. Sicher werde ich das Thema Atmung noch einmal in einem spirituellen Kontext aufgreifen und auch spezielle yogische Atemübungen sollen später noch einmal Thema sein.
Wichtig zu sagen ist mir an dieser Stelle, dass du bitte nachsichtig mit dir selbst bist und bloß nicht zu streng. Denk mal nicht, dass ich den ganzen Tag vollkommen bewusst in yogischer Vollatmung durchs Leben spaziere. Es dauert eine Weile, alte Gewohnheitsmuster zu durchbrechen und der erste Schritt dafür, ist ein Bewusstsein für diese Gewohnheitsmuster zu erlangen. Und wenn du es für den Anfang schaffst, dich ab und an am Tage selbst du beobachten und zu erkennen, wie du eigentlich atmest, ist das schon ein großer Schritt in die richtige Richtung. Je öfter du dann bewusst tiefer und vollständiger atmest, je mehr wird sich das in deinem Unterbewusstsein manifestieren (ausbreiten) und Stück für Stück zur Normalität werden. Also bleib dran und besinne dich immer wieder darauf. Nicht vergessen, Yoga ist keine magische Pille, die alle deine Probleme löst. Es ist vielmehr eine Lebensphilosophie – ein Hilfswerk – was durch stetige Praxis zur Optimierung deines Lebens beiträgt.
In diesem Sinne, einmal tief durch atmen!
Als ich diese Beträge zum Thema Atmung geschrieben habe, saß ich übrigens in Kalamata im Schatten am Strand und hatte eine frischen Brise Seeluft in der Nase, so dankbar für diese Möglichkeit enthalten diese Zeilen also sonnige Grüße aus Griechenland.
Namaste ihr Lieben!
Mein bescheidenes Wissen zu diesem Artikel habe ich aus eigenen Erfahrungen, aus meiner 2-jährigen Yogalehrerausbildung nach den Lehren von Swami Sivananda, aus Gesprächen und aus Büchern.
Om Sarva Santana Ki – Ein Gruß und Dank an alle großen Meister
4 Kommentare
Excellent post. I definitely appreciate this website. Thanks!
Many thanks!
Eine willkommene Erinnerung an unsere Gesundheit, an unser Wissen und an uns selbst. Toller Beitrag. Dankeschön!
Ich Danke dir Liebes. Für dein Feedback und für dein Sein. Ich schick dir Liebe!!! Namaste
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